Die Fugger und Welser gelten als zwei der einflussreichsten und wohlhabendsten europäischen Handelsfamilien zwischen dem 14. und dem 19. Jh. Ihre vermeintlich glorreiche Geschichte und ihr Gedenken werden durch zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze, Ausstellungen, öffentliche Einrichtungen und 23 nach ihnen benannte Straßen aufrechterhalten. Zwei dieser Straßen befinden sich in dem Berliner Bezirk Schöneberg. Dass die Fugger und die Welser ihren Reichtum jedoch erst durch ihre Beteiligung am Kolonialismus akquirieren konnten, wird in dieser Geschichtsschreibung oft ent_nannt bzw. verschwiegen und/oder beschönigt. Im Gegensatz zur Lüderitzstraße oder der Petersallee gibt es zu der Fugger- und der Welserstraße bis dato noch keine Ambitionen auf dieses Stück weißgewaschener Geschichte aufmerksam zu machen und die glorifizierte Darstellung der beiden Familien als große Kaufleute besteht fort. Dieser Blog ist nicht nur eine Intervention gegen diese Geschichtsschreibung, sondern auch gegen die Leerstellen, die wir selbst Tag für Tag durch die nicht- Auseinandersetzung mit solchen Orten des kollektiven Gedenkens produzieren und somit implizit zu der Verdeckung und Bagatellisierung der deutschen Kolonialgeschichte und ihrer selektiven Weitergabe beitragen.
Den inhaltlichen Ausführungen möchten wir noch die Fragen voranstellen, von denen wir uns bei der Quellenarbeit, Textproduktion und auch der Planung und Durchführung der Intervention haben leiten lassen. Weder haben wir den Anspruch diese Fragen in unserer Intervention abschließend zu beantworten, noch glauben wir, dass dies möglich und sinnvoll ist. Unsere Fragen sind Inspiration, Reflexionsfläche und Möglichkeit sowohl die Quellen als auch unsere Gedanken und die von uns geschriebenen Texte zu hinterfragen und weiterzuentwickeln:

Wie kann auf den verdeckten Teil der Geschichte aufmerksam gemacht werden?

Welche Leerstellen finden wir in den Wissenschaften, der Forschung und den von uns gelesenen historischen Quellen?

Welche historischen Fakten, Stimmen, Positionen fehlen in den Quellen und warum?

Was ist verzerrt, geschönt, legitimierend dargestellt und sind hier kolonial-ideologische Kontinuitäten zu erkennen?